Mathematische Selbstwirksamkeitserwartung, Leistung und Calibration. Eine quantitative Studie zum Einfluss von Aufgabenmerkmalen und Feedback in der Studienein-gangsphase wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge
Angela Laging, Universität Kassel
Betreuer: Prof. Dr. Werner Blum und Apl. Prof. Dr. Rainer Voßkamp
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Kurzbeschreibung des Promotionsvorhabens
Das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit ist wichtig für Lernprozesse und Leistungssituationen (u.a. Bandura 1997; Pajares 1996; Zimmerman 2000). Der positive Zusammenhang zur Leistung wurde u.a. innerhalb von zwei Meta-Analysen nachgewiesen (Laging 2015; Multon et al. 1991). Aber auch die Exaktheit dieser Einschätzung („Calibration Accuracy“) spielt eine zentrale Rolle beim selbstregulierten Lernen (u.a. Boekaerts & Rozendaal 2010; Labuhn et al. 2010). Eine starke Überschätzung der eigenen Fähigkeiten wird u.a. von Hattie (2013) als problematisch eingestuft. Genau diese Problemlage wurde im Rahmen des Teilprojekts der AG Wiwi-Math an der Universität Kassel festgestellt. Ausgehend von der starken Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Bereich Grundlagenmathematik bei Studienanfänger/innen wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge und dem großen Forschungsbedarf zur Calibration, werden Höhe und Exaktheit der eigenen Selbstwirksamkeit bei Studienanfänger/innen, insbesondere die Abhängigkeit von Aufgabenmerkmalen, die Entwicklung innerhalb des Semesters und der Einfluss von Feedback untersucht. Datengrundlage liefern zwei Erhebungen im Wintersemester 2012/13 an der Universität Kassel.
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Das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit hat viele Effekte, die im akademischen Bereich wie einem Studium von besonderer Bedeutung sind: „Such beliefs influence the courses of action people choose to pursue, how much effort they put forth in given endeavors, how long they will perserve in the face of obstacles and failures, their resilience to adversity, wether their thought patterns are self-hindering or self-aiding, how much stress and depression they experience in coping with taxing environmental demands, and the level of accomplishments they realize“ (Bandura 1997, S. 3). Der positive Zusammnhang zur Leistung ist unumstritten und wurde bereits von zwei Meta-Analysen (Laging 2015; Multon et al. 1991) nachgewiesen. In der PISA-Studie 2003 wird die mathematische Selbstwirksamkeitsüberzeugung als bedeutender Prädiktor der Mathematikleistung identifiziert (OECD 2004 learning for tiomorrow, S. 136ff). Insbesondere beim Übergang zur Hochschule wird der akademischen Selbstwirksamkeit eine zentrale Bedeutung für einen erfolgreichen Studieneinstieg zugesprochen (Chelmers et al. 2004). Eine leichte Überschätzung der eigenen Fähigkeiten wird nach Bandura (u.a. 1997) als vorteilhaft angesehen um das eigene Potenzial auszuschöpfen. Starke Fehleinschätzungen der Selbstwirksamkeit in beide Richtungen (Über- & Unterschätzung) haben jedoch Konsequenzen (Bandura 1986, S. 393).
Die eigenen Fähigkeiten möglichst exakt einschätzen zu können ist ein wichtiger Bestandteil des selbstregulierten Lernens (u.a. Boekaerts & Rozendaal 2010; Labuhn et al. 2010). Innerhalb des Lernprozesses hilft eine exakte Selbsteinschätzung („Calibration Accuracy“) Bereiche zu identifizieren, bei denen noch Lernbedarf besteht und maximiert somit das Vorbereitetsein für eine Prüfung (Hacker et al. 2000, S. 160). In der Prüfungssituation selbst ermöglicht eine genaue Selbsteinschätzung ein strategisches Vorgehen und hilft damit beim Zeitmanagement (van Loon et al. 2013). „Without monitoring accuracy, efficient control of one’s performance may be impossible“ (Nietfeld et al. 2005, S. 9).
In der Regel überschätzen Schüler und Studierende ihre Fähigkeiten und das zum Teil sehr stark (u.a. Pajares & Kranzler 1995; Pajares & Miller 1994), was Hattie (2013) als problematisch bewertet: „If our confidence is high and our accuracy is low then there is a major problem“ (S. 63). Eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten ist besonders problematisch, wenn sie zu unzureichendem Lernen führt (Chen & Zimmerman 2007).
Das Problem der starken Überschätzung zeigt sich bei den Untersuchungen von Studienanfänger/innen wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge in Mathematik an der Universität Kassel. Im Rahmen des Teilprojektes „Heterogenität der mathematischen Vorkenntnisse und Selbstwirksamkeitserwartungen von Studienanfänger/innen in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen“ des Kompetenzzentrums Hochschuldidaktik Mathematik (khdm) werden seit dem Wintersemester 2010/11 u.a. mathematische Selbstwirksamkeitserwartungen und mathematische Leistungen zu Grundlagenstoff aus der Sekundarstufe I und II bei Studienanfänger/innen innerhalb der Veranstaltung „Mathematik für Wirtschaftswissenschaften I“ untersucht. Es wurden mehrere Lehr-Lern-Innovationen entwickelt und ab dem Wintersemester 2011/12 eingeführt, die den Studierenden Rückmeldung zu ihrem Leistungsstand und ihrer Leistungsentwicklung geben sollen.
Die Dissertation ist an dieses Teilprojekt angebunden und knüpft an die Ergebnisse der starken Überschätzung an. Die Grundlage für die eigene Untersuchung bilden die Erhebungen des Projektes zu Beginn und zur Mitte des Wintersemesters 2012/13. Der Fokus liegt auf der Analyse von Höhe und Exaktheit der eigenen Selbstwirksamkeit bei Studienanfänger/innen, insbesondere der Abhängigkeit von Aufgabenmerkmalen, der Entwicklung innerhalb des Semesters und dem Einfluss von Feedback.
Zu dieser Thematik existieren im Bereich Mathematik bisher kaum Studien. Im Rahmen der PISA-Studien wurde die Vorhersagekraft von Aufgabenmerkmalen auf die empirische Schwierigkeit von Mathematikaufgaben untersucht (u.a. Blum et al. 2004; Cohors-Fresenborg et al. 2004; Neubrand et al. 2000; Turner et al. 2013). Jedoch existieren keine derartigen Studien zur Einschätzung der individuellen Schwierigkeit bzw. dem Zutrauen bestimmte Aufgaben erfolgreich lösen zu können. Für den Bereich der Calibration besteht insgesamt noch ein großer Forschungsbedarf (Alexander 2013), vor allem in realen Settings (Hacker et al. 2008). Veränderungen der Calibration sind bisher wenig erforscht und zum Einfluss von Feedback (insbesondere elaboriertem Feedback) existieren im Bereich Mathematik nach sorgfältiger Literaturrecherche nur zwei Studien (Harks et al. 2013; Labuhn et al. 2010). Weder in realen Setting noch mit Studierenden als Probanden existieren Untersuchungen zum Einfluss von elaboriertem Feedback auf die Calibration im Bereich Mathematik.
Ausgehend von der Problemlage der starken Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Bereich Grundlagenmathematik bei Studienanfänger/innen und dem großen Forschungsbedarf zur Calibration, werden folgende Forschungsfragen im Rahmen dieser Dissertation untersucht:
- Welche Aufgabenmerkmale bestimmen Höhe und Exaktheit der Selbstwirksamkeit?
(a) Bei welchen Aufgabentypen überschätzen sich Studierende besonders stark?
(b) Bei welchen Aufgabentypen können sich Studierende verhältnismäßig exakt einschätzen?
(c) Verändert sich der Einfluss der Aufgabenmerkmale innerhalb des Semesters? - Wie entwickeln sich Höhe und Exaktheit der Selbstwirksamkeit sowie Mathematikleistung innerhalb des ersten Semesters?
(a) Unterscheiden sich die Entwicklungsverläufe einzelner Gruppen (z.B. Abiturienten vs. FOSler)? - Welchen Einfluss üben regelmäßige fakultative Kurztests mit Feedback auf Höhe und Exaktheit der SWK sowie Mathematikleistung aus?
Zur Untersuchung der Fragestellungen werden verschiedene statistische Methoden (u.a. Clusteranalysen, Mittelwertvergleiche) herangezogen, die teilweise auf Aufgaben- oder Personenebene erfolgen.
Laging, A. (2021). Selbstwirksamkeit, Leistung und Calibration. Eine Studie zum Einfluss von Aufgabenmerkmalen und Feedback zu Studienbeginn. Springer Spektrum.
Laging, A. (2014). Selbstüberschätzung bei Studienanfänger/innen. In J. Roth, & J. Ames (Eds.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2014 (pp. 703-706). Münster: WTM-Verlag.
Laging, A. (2013). Wie wichtig sind die Selbstwirksamkeit und die Selbsteinschätzung für die mathematischen Leistungen von Studienanfänger/innen? In G. Greefrath, F. Käpnick, & M. Stein (Eds.) Beiträge zum Mathematikunterricht 2013 (pp. 592–595). Münster: WTM-Verlag.